Jeder Leistungsfall in der Berufsunfähigkeitsversicherung ist einzigartig. Und trotzdem sticht der eine oder andere Fall aus der Menge heraus. Mit unserem Leistungsfall des Monats wollen wir einen kleinen Einblick gewähren, wie wir arbeiten und in welchem Detail der Teufel sich manchmal versteckt hält. Dieses Mal geht es um einen norddeutschen Tierarzt, der wegen zweier Tennisarme bei seiner Versicherung die BU-Rente beantragen will und wieso hier die konkrete Verweisung nicht funktioniert. Versichert sind rund 3.000 Euro.

Wenn man sich den beruflichen Alltag eines Tierarztes so vorstellt, würde man nicht vermuten, dass hier tatsächlich eine Berufsunfähigkeit vorläge. Auch mit zwei Tennisarmen lassen sich Katzen impfen und Hunde sterilisieren.

Bei der Berufsunfähigkeitsversicherung prüfen wir aber nicht auf Grundlage der Berufsbezeichnung. Denn in BU-Versicherung kommt es auf die zuletzt in gesunden Tagen ausgeübten Tätigkeiten an. Und unser Tierarzt war Besamer bei einer Rinderzucht.

Diese Besamung wurde manuell an täglich 400-600 Kühen durchgeführt. Da der Anspruchsteller dabei gut bis zur Schulter in der Kuh steckt, ist es sogar so, dass er sich die Tennisarme bei der Arbeit geholt hat. Einen Anspruch an die Berufsgenossenschaft zu prüfen ist nicht unsere Aufgabe, aber auch das wäre durchaus möglich.

Wir prüfen, nachdem eine vorvertragliche Anzeigeverletzung hier wegen Fristablauf nicht relevant ist, also, ob der Tierarzt noch im Stande wäre, zu 50% seiner Arbeit nachzugehen.

Liegt Berufsunfähigkeit vor?

In diesem Fall ist das sehr einfach. Die hauptsächliche Tätigkeit kann überhaupt nicht mehr ausgeführt werden. Auf keinen Fall bei mehr als 200 Kühen am Tag. Der Grad der Berufsunfähigkeit von 50% ist eindeutig erreicht.

Nun ist es aber so, dass eine BU-Versicherung die Leistung einstellen darf, wenn die versicherte Person konkret einen anderen Beruf ausübt, der die Lebensstellung wahrt, weder über- noch unterfordert und in etwa das gleiche Ansehen hat. Das nennt sich konkrete Verweisung.

Und der ehemalige Besamer arbeitet jetzt als Amtstierarzt mit 90% Bürotätigkeit. Vorher hat er 5.600 Euro verdient, jetzt verdient er sogar 6.500 Euro.

Alles in allem klingt das nach einem zulässigen Verweisungsberuf. Und trotzdem muss der Versicherer weiter zahlen.

Warum ist hier eine konkrete Verweisung nicht möglich?

Das hat 3 Gründe:

  1. Bei der Berufsunfähigkeitsversicherung gibt es kein Bereicherungsverbot.

Die finanzielle Angemessenheit, die vor Abschluss der Versicherung oder bei Erhöhungsoptionen oder Dynamiken geprüft wird, darf auch nicht mehr im Leistungsfall geprüft werden. Würde hier aber sowieso nicht greifen, weil die finanzielle Angemessenheit grundsätzlich gegeben ist. Und da die BUV eine Summenversicherung ist, darf nicht gekürzt werden, da eben eine Summe und kein Schaden versichert ist.

  1. Es gibt keine abstrakte Verweisung.

Bei der abstrakten Verweisung dürfte der Versicherer dem Kunde die Leistung verweigern, wenn es einen Beruf gäbe, den er ausüben könnte. Dabei muss die Lebensstellung gewahrt bleiben, was bedeutet, dass die Einkommenseinbuße maximal 20% betragen darf, der neue Job muss das gleiche Ansehen haben und darf mich weder über- noch unterfordern. Das wäre hier alles gegeben. Aber es ist halt nicht versichert.

Wie funktioniert eine konkrete Verweisung?

  1. Bei der konkreten Verweisung hat der Versicherer einen „Fehler“ gemacht.

Jede Berufsunfähigkeitsversicherung hat die Möglichkeit, die Leistung einzustellen, wenn der Versicherte tatsächlich einen neuen Job hat und mindestens 80% des alten Einkommens verdient usw. In den Bedingungen der Versicherung des Tierarztes steht aber, dass die konkrete Verweisung nur möglich ist, wenn die versicherte Person aufgrund neuer Kenntnisse, also einer Umschulung oder neuen Ausbildung, einen neuen Beruf ergreift. Und das ist hier nicht der Fall.

Der Kunde erhält also zusätzlich zu seinem neuen Gehalt die versicherte Rente. Und das so lange, bis er wieder gesund genug wäre, um in seinem alten Beruf zu mehr als 50% zu arbeiten oder bis der Vertrag eben einfach endet.

Das außergewöhnliche an diesem Fall ist, dass die versicherte Person trotz einer akademischen Ausbildung einem sehr körperlichen Beruf nachging und deshalb schon aufgrund einer relativ geringen Einschränkung berufsunfähig werden konnte, aber gleichzeitig auch schnell eine neue und gut bezahlte Arbeit aufgrund der guten Ausbildung finden konnte.

Für den Kunden ist die BU-Versicherung dann eher ein netter Bonus, der aufgrund einer etwas nachlässigen Formulierung zusätzlich gezahlt wird.

In den meisten unserer Fälle hängt allerdings die Existenz daran, ob diese Versicherung jetzt leistet oder nicht. Deshalb ist es auch so wichtig, hier mit Experten zusammenzuarbeiten und nicht selbst zu experimentieren.