Der Leistungsfall ist hochkomplex. Das ist aber am Ende auch für den Versicherer so. Und wenn dann ein Fehler in der Ablehnung passiert, braucht es nur einen Experten, damit die Berufsunfähigkeitsversicherung leisten muss.

Der Fall an sich war im Detail nicht mal so eindeutig, wie es sich auf den ersten Blick liest. Und vor allem hätten wir nicht damit gerechnet, dass alles so schnell geht. Aber der Reihe nach.

Der Referendar im Leistungsdruck

Unser Kunde war Lehrer in Verbeamtung auf Widerruf für die Fächer Mathematik und Physik. Ein Referendar, der kurz vor der Verbeamtung auf Probe stand. Er hielt Unterricht in beiden Fächern. Da er in der Hospitationsphase war,  wurde er dabei durch den Referendarleiter beaufsichtigt. Ihm waren Abschlussklassen einer Gesamtschule (überwiegend Gymnasium) zur Prüfungsvorbereitung zugeteilt.

Der Leistungsdruck führte zu Stress, Versagensängsten und sicherlich noch mehr. Unser Kunde begab sich deshalb aber nicht in Behandlung, sondern sprang aus dem Fenster seiner Wohnung im 5. Stock, mit der Absicht, sich zu töten.

Da er unser Kunde ist, lässt sich schon sehen, dass er das nicht geschafft hat. Er ist aber seitdem querschnittsgelähmt und inkontinent. Trotz der Lähmung verspürte er aber Schmerzen in den Beinen und war lange Zeit depressiv.

Bereits 10 Monate nach dem Sturz war er wieder als Lehrer tätig. Da er aber aufgrund der Lähmung zu starke Einschränkungen bei Experimenten hat, ist er nur noch als Mathematik-Lehrer tätig. Und auch nicht mehr an der alten Gesamtschule mit Chance auf eine Verbeamtung, sondern an einer Privatschule als Angestellter. Die neue Tätigkeit ist also einfacher, er arbeitet weniger Stunden und er verdient auch weniger. Er ist insgesamt wesentlich schlechter gestellt als vorher.

Warum wir dauerhafte BU-Rente beantragt haben

Nun wäre es einfach gewesen, die Rente aus der Berufsunfähigkeitsversicherung für die 10 Monate zu beantragen. Aber in unseren Augen besteht die Berufsunfähigkeit weiterhin, da er auf den neuen Beruf nicht konkret verwiesen werden kann. In unserer Stellungnahme haben wir ausgeführt, dass die Tätigkeit vorher nicht mit aktuell zu vergleichen ist, da bei seiner zuletzt ausgeübten Tätigkeit beachtet werden muss, dass er kurz vor Abschluss des 2. Staatsexamens war. Das fließt in die Beurteilung mit ein, sowohl bezüglich eines möglichen künftigen Verdienstes als auch bezüglich des sozialen Ansehens und der Qualität.

Also haben wir dauerhafte Leistung beantragt.

Der Fehler in der Ablehnung durch den Versicherer

Und jetzt kommt der Fehler in der Ablehnung durch den Versicherer. Die Berufsunfähigkeitsversicherung hätte vermutlich Anhaltspunkte gehabt, wenn es um die Berechnung der 50% im ursprünglichen Beruf geht. Denn der Kunde ist ja nicht zu krank, um Mathe zu unterrichten. Und vielleicht wäre es ja auch möglich, Physik noch außerhalb der Experimente zu unterrichten. Wir hätten auch hier am Ende die besseren Argumente gehabt, aber es hätte sicherlich das eine oder andere Gutachten gegeben.

Da aber Fehler in der Ablehnung auch mal auf Seiten des Versicherers passieren, ging es ziemlich schnell. Die Gesellschaft hat nämlich abgelehnt, weil versuchte Selbsttötung nicht versichert sei, wenn nicht nachgewiesen würde, dass die versuchte Selbsttötung in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit begangen worden wäre.

Und das war´s. Sonst wurden keine weiteren Gründe genannt.

Was der Laie nicht weiß: Wenn ich meine Ablehnung begründe, muss ich beim ersten Mal schon alle Gründe nennen, die gegen eine Leistung sprechen. Ich darf als Versicherer nicht später neue Gründe nennen. Ist ja auch logisch, irgendwie. Sonst fällt dem Versicherer alles Stück für Stück ein. Und so zöge sich der Leistungsfall unnötig in die Länge.

So schnell kann´s gehen

Das bedeutet für uns also, wenn wir beweisen können, dass bei unserem Kunden sehr wohl ein die freie Willensbestimmung ausschließender Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit vorlag, ist der Drops gelutscht. Da die BU-Versicherung keine Zweifel an der Erkrankung, dem BU-Grad oder einer evtl. möglichen konkreten Verweisung vorgebracht hat, darf sie das auch nachher nicht mehr tun.

Und obwohl der Kunde zum Zeitpunkt des Selbsttötungs-Versuches nicht in ärztlicher Behandlung war, war es nicht schwer, per Attest bestätigen zu lassen, dass eine rationale Abwägung des Für und Widers aufgrund der schweren depressiven Erkrankung nicht möglich war. Es gibt ja auch ganz allgemein wenig rationale Gründe für einen Suizid.

Und so musste dann schnell und unkompliziert geleistet werden, weil dem Versicherer ein Fehler in der Ablehnung passiert ist.

Wenn Sie selbst betroffen sind oder Hilfe benötigen, dann melden Sie sich einfach bei uns!