Die Berufsunfähigkeitsversicherung ist die einzige Versicherung, die meinen Beruf mit einer Krankheit verknüpft. Im Leistungsfall muss ich also eine Krankheit nachweisen, meinen Beruf beschreiben und dann beweisen, dass 50% meiner beruflichen Tätigkeit wegen der gesundheitlichen Einschränkung wegfallen. Der Ausgangspunkt ist also immer eine Krankheit oder Körperverletzung. Trotzdem kann ich auch ohne Diagnose berufsunfähig sein. Denn es geht ja um die Einschränkung und nicht um die Krankheit an sich. Aber der Nachweis, ohne Diagnose berufsunfähig zu sein, ist sehr schwierig. Und nicht jeder Versicherer oder auch Arzt kapiert´s…

Unsere Mandantin war Geschäftsführerin und Gesellschafterin in einem Unternehmen für Content Marketing. Sie arbeitete 60 Stunden die Woche. 85% davon musste Sie in Vorträgen oder in der Kundenakquise reden.

Zum Zeitpunkt des BU-Eintritts war sie 52 Jahre alt.

Der Vertrag lief seit 2005 und läuft bis 2032. Eine Prüfung der vorvertraglichen Anzeigepflicht war nicht notwendig. Versichert sind 815 Euro Rente und 280 Euro bezahlen den Beitrag und sparen in eine Rente. Das ist nicht viel, aber die Rentenzahlung dynamisiert sich immerhin mit 5% im Leistungsfall.

Ohne Diagnose berufsunfähig: Die Beschwerden

Die Mandantin leidet seit Mitte 2019 unter einer schweren Form von Asthma. Wenn sie redet, hat sie sofort starke Hustenanfälle. Außerdem strengt das Reden so sehr an, dass sie nach ca. 2 Minuten reden eine ca. 15 minütige Pause einlegen müsste. Die Behandlung mit einem Asthma-Spray hat nicht angeschlagen, was im Nachhinein logisch ist, weil es ja kein Asthma war.

Durch die Kurzatmigkeit kam es auch immer wieder zu Schwindelanfällen, die auf ein bestehendes Syndrom des Halswirbelsäule zurückgeführt wurde.

Das „Asthma“ wurde so schlimm, dass eine Kur verordnet wurde. Diese musste aber nach einer Woche abgebrochen werden, da die Mandantin immer wieder zusammengebrochen ist. In der Reha-Klinik wurde dann auch der Verdacht einer somatoformen Erkrankung geäußert. Es lägen demnach keine körperliche, sondern eine psychische Krankheit vor.

Was sagen die Ärzte?

Die behandelnden Ärzte waren ein Pneumologe und ein Orthopäde. Beide sahen die vorliegenden Erkrankungen, nämlich das Asthma und das HWS-Syndrom für nicht ausreichend, um eine Berufsunfähigkeit zu rechtfertigen. Und das ist immer Mist. Denn der Versicherer kann sich dann zurücklehnen, weil nicht mal die eigenen Ärzte an eine BU glauben.

Zu diesem Zeitpunkt waren wir aber schon mit an Bord. Und uns was klar, dass hier die Beschwerden ausreichend sind, um eine Berufsunfähigkeit zu rechtfertigen. Man kann auch ohne Diagnose berufsunfähig sein. Und die Beschwerden waren unzweifelhaft. Die Mandantin wurde mit jedem Tag schwächer. Heute würde man an der Stelle auf Long Covid prüfen, aber das war damals noch kein Thema.

Zum Glück wollte der Hausarzt helfen und hat uns dann auch bestätigt, dass BU vorläge. Das war dem Versicherer aber zu wenig. Es sollte schon von einem Facharzt kommen. Noch mehr Glück war, dass der Hausarzt jemanden vom Grönemeyer-Institut kennt. Das Institut konnte aber keine nennenswerte orthopädischen Gründe feststellen, die die Beschwerden rechtfertigen würden. Deshalb wurde unsere Mandantin an eine Muskel-Spezialistin überwiesen, die schnell den Verdacht hatte, es könne sich um einen Gen-Defekt handeln. Deshalb brachte sie den Fall unserer Mandantin in die Sprechstunde für seltene Erkrankungen in der Charité.

Das muss man sich so vorstellen: Hier werden Fälle besprochen und die größten Experten aus der ganzen Welt diskutieren dann, was es sein könnte und was untersucht werden muss.

Ohne Diagnose berufsunfähig: Dann besser doch mit…

Nach einigen Tests kam raus, dass die Kundin an mitochondrialer neurogastrointestinaler Enzephalomyopathie (MNGIE) leidet. Diesen seltenen Gen-Defekt haben weltweit etwa 100 Personen. Das ist eine multi-systemische Erkrankung und kann den ganzen Körper betreffen.

Zusätzlich wurde das damals noch komplett unbekannte Chronic Fatigue Syndrom diagnostiziert.

Die Muskelspezialistin hat uns dann auch bestätigt, dass die Mandantin außerstande ist, zu arbeiten und somit berufsunfähig ist.

Der Versicherer hatte noch kurz die Idee, einen Gutachter einzuschalten, aber das konnten wir verhindern mit dem Hinweis, dass es für MNGIE keine Experten gibt, weil die Krankheit zu selten ist. Und deshalb gibt es logischerweise keinen Gutachter.

Den BU-Antrag haben wir im April 2020 gestellt und im Dezember kam die Entscheidung. Der Versicherer erkannte rückwirkend zu September 2019 an und leistete dann ab März 2020, da bedingungsgemäß erst ab dem 7. Monat der BU geleistet wird. Eine Umorganisation war kein Thema mehr, weil die Firma zwischenzeitlich verkauft wurde.

Wenn ihr Hilfe in einem Fall braucht, dann meldet euch bei uns! Vermittler melden sich hier 🙂